Frauen & Politik in der Nachkriegszeit
--- freie Rede ---
Verehrtes Publikum, es ist kein Zufall, dass wir uns hier, heute und genau um die Uhrzeit (16:00) im Herzen Münchens, am Marienplatz, kurz vor den Kommunalwahlen versammelt haben.
Gerne erinnere ich Sie daran, dass vor genau 75 Jahren (30.04.1945) der Einmarsch der Amerikaner und die damit verbundene Beendigung des 2en Weltkrieges und der Befreiung der Stadt hier, wo wir uns gerade befinden, stattfand.
Kurz darauf wurde die bayerische Metropole ohne große Hindernisse und mit bedeutungslosen SS-Widerstandsaktionen in Pasing und in Freimann kampflos besetzt. Dem zwölfjährigen NS-Terror folgt die US-Militarisierung Deutschlands.
In diesem Rahmen übergab noch am selben Tag der städtische Oberrechtsrat Dr. Michael Meister der 7en amerikanischen Armee das Rathaus einer von 71 Luftangriffen deutlich zerstörten Stadt.
Während München in dieser schwierigen Trümmerzeit die schreckende NS-Vergangenheit zu überwinden versuchte und den Weg zur Demokratie einschlug, trat der erste, provisorische und männerdominierende Zusammenschluss von Stadträten am 01.08.1945 zusammen; am 30.05.1948 fanden die ersten Kommunalwahlen – die parteipolitische Organisation wurde in der sowjetischen Besatzungszone bereits am 10.06.1945 genehmigt.
In diesem Rahmen wurde Karl Scharnagl zum Oberbürgermeister einer Stadt, die der »unconditional surrender« und der damit verbundenen vollständigen Verwaltungskontrolle der Siegermächte unterlag, ernannt.
Und obwohl Frauen in Überzahl, im Stadtrat und im Landtag − kaum anwesend und in Parteien sowie politischen Ausschüssen unterrepräsentiert waren, nahmen sie ihre Rolle trotz enormen Schwierigkeiten als »Re-educator« in zahlreichen Frauenorganisationen ernst und erbrachten eine bewundernswerte Leistung.
Sie organisierten sich etwa im seit 1894 von Anita Augspurg gegründeten „Münchner Verein für Fraueninteressen e.V.“ (Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau), in der seit 1915 gegründeten „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“ oder in der 1951 gegründeten Dachorganisation „Informationsdienst für Frauenfragen“, die in München „Arbeitsgemeinschaft der Arbeiterinnen“ hieß.
Vom damaligen politischen Spektrum waren für Frauen auch nicht bedeutungslose antifaschistische Gruppierungen anziehend wie die widerstandskämpferische „Freiheitsaktion Bayern“, die die Amerikaner verboten sowie die antifaschistischen Ausschüsse (Antifa), die wegen Interessenunterschieden und der Angst der etablierten Parteien vor einer kommunistischen Unterwanderung scheiterte.
Scheitern musste auch die von der Würzburger Journalistin Ulla Illing erste bayerische Frauenpartei „Soziale Frauenpartei“ – trotz begeisterter Zustimmung. Unter diesen Umständen konnten sich in der politischen Landschaft Bayerns, neben Ulla Illing, Politikerinnen wie Maria Probst, Rosa Hillebrand, oder Zita Zehner in diesem männerdominierten Beruf etablieren.
Nichtsdestotrotz würde ich gerne diesen Tag zwei Gruppen von Frauen aus dem Jahr 1910 und 1911 widmen: Frauen wie Clara Zetkin, die Pionierarbeit leisteten und am auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz am 27.08.1910 in Kopenhagen die Einführung eines internationalen Frauentages vorschlugen und Frauen wie Helen Todd und Rose Schneiderman, die 1911 die Streikparole 'Bread and Roses' ins Leben riefen. Vergessen darf man an dem Tag keinesfalls auch die 140 Migrantinnen (überwiegend italienischer und jüdischer Herkunft), die ihr Leben am 25.03.1911 in der 'Triangle Fire' Tragödie in New York verloren.
Resümee
Wenn man das Rad der Geschichte zurückdreht, lässt sich feststellen, dass in historischen Höhepunkten fast immer Männer am Steuer saßen. Dabei war die weibliche Mitwirkung jedes Mal entscheidend. Diese wurde aber nie besonders anerkannt. Grund dafür ist die jahrhundertealte, verankert im Westen, patriarchalische Kultur. Nicht zu vergessen, dass die Frau in Westdeutschland bis vor 50 Jahren die Zustimmung des Mannes brauchte, wenn sie arbeiten wollte. Geschweige denn, dass die Vergewaltigung in der Ehe bis 1997 keine Straftat war. Seitdem hat sich freilich Vieles getan. Doch das ist, wie aus der Podiumsdiskussion hervorgegangen ist, noch längst kein Grund, sich mit kleinen Fortschritten zu begnügen. Der Kampf geht weiter: auf den Straßen, auf dem Arbeitsplatz, auf männerdominerten Bereichen. Dieser Kampf ist kein einfacher, aber er ist durchaus gerecht. Wer für Frauenrechte kämpft, kämpft für mehr Gerechtigkeit.
Johanna Panagiotou I Victoria Mali
Kulturhistorikerin & Autorin
Hier: Rednerin an der Veranstaltung von Frau-Kunst-Politik am Fraunkampftag, 08.03.20, im Roten Salon des Glockenspiel Cafés
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