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  • Writer's pictureJohanna Mamali Panagiotou

Der lange Marsch der Migration: Griechische Anfänge

Die Anfänge migrantischer Selbstorganisation im Nachkriegsdeutschland

Niemand verlässt sein Zuhause, seine Familie und seine Freunde, wenn er einen Job hat, der ein würdiges Leben ermöglicht. Auch die griechischen Auswanderer verließen ihr Heimatland in den 1960er und 1970er Jahren bettelarm. Ihr ganzes Hab und Gut befand sich in einem Billigkoffer aus provisorisch gefertigtem Stoff, befestigt mit einer Schnur, damit die eigenen Habseligkeiten nicht herausfielen.


Kaum in Deutschland angekommen, sahen sie sich – aufgeteilt in Gruppen, behandelt und «gestapelt» in Baracken – mit den Mängeln der staatlichen Fürsorge konfrontiert, sowohl auf griechischer als auch auf deutscher Seite. Nirgendwo war eine Betreuung vorgesehen oder festgeschrieben, weder im Anwerbeabkommen noch in den Arbeitsverträgen. Viele fanden sich im sieben Quadratmeter großen Zimmer eines Heims wieder, das einer Militärkaserne ähnelte und in dem Frauen und Männer getrennt untergebracht wurden. Dort wohnten jeweils sechs bis acht Menschen in einem Raum von der Größe, die das Gesetz Haustieren zugesteht (1).


Der Alltag der Neuankömmlinge

Die meisten Neuankömmlinge wurden nach ihrer Ankunft zum Arbeitsort, zumeist kleine Unternehmen, gebracht. Keiner von ihnen war der deutschen Sprache mächtig. Mit ihren wenigen Landsleuten trafen sie sich selten. Der Mangel an sozialen Einrichtungen und an Dolmetschern war eine zusätzliche Belastung. Hinzu kommt, dass es sich bei den Dolmetschern, die zur Verfügung standen, oftmals um ehemalige Nazi-Kollaborateure handelte, die nach Kriegsende mit den deutschen Truppen nach Deutschland geflohen waren, um dem Zorn des griechischen Volkes zu entkommen. Ihr wichtigster Beitrag war die Einschüchterung der Arbeiter im Interesse des Arbeitgebers. Oft drohten sie ihnen ganz unverfroren: «Rede nicht, frage nicht, protestiere nicht, sonst schicke ich dich zurück in deine Heimat», hieß es dann. Fast immer ging es um Einschüchterung und Drohungen. Entsprechend begrenzt war die Kommunikation der Einwanderer mit ihrer Umwelt.


Die griechischen Migrantinnen und Migranten waren also einer Reihe von Problemen ausgesetzt, die sich stets vermehrten und ungelöst blieben. Der einzige Lichtblick im tristen Alltag waren die Treffen mit Landsleuten, die im Heim oder am Bahnhof stattfanden und die sozialen Kontakte im heimatlichen Kafené, dem griechischen Café für Männer, ersetzten. Diese Zusammenkünfte fanden natürlich nur am Wochenende statt. Denn unter der Woche blieb den Migranten keine Zeit zum Ausruhen, ihr Arbeitstag bestand aus harter Arbeit, Überstunden, Einsamkeit und Müdigkeit. Doch die Begegnung mit Landsleuten tat ihnen gut. Sie konnten in ihrer Muttersprache kommunizieren und Nachrichten aus der Heimat erhalten.


Der Anstoß zur Selstorganisation

Das war für lange Jahre der reale Alltag der Migrantinnen und Migranten. Doch es waren genau diese Schwierigkeiten, die den Anstoß zur Selbstorganisation gaben. Die Ursachen der Selbstorganisation waren die harten Umstände, die Verletzung ihrer Rechte, der Mangel an staatlicher Unterstützung, der Kontaktabbruch zur Heimat sowie ihre völlige Isolation vom sozialen Umfeld. Letztere ist auf zwei Parameter zurückzuführen: einerseits auf die sprachlichen Barrieren und andererseits auf die Weigerung der Gesellschaft, sie als gleichberechtigte Mitbürgerinnen und Mitbürger anzuerkennen.


Vereine und Organisationen spielten für die Auswanderer eine immens wichtige Rolle. Die Gruppenzugehörigkeit und der solidarische Umgang miteinander stillten ihr Bedürfnis, der Einsamkeit zu entkommen. Ferner pflegten sie dadurch auch Beziehungen zur Heimat, zur Muttersprache und zu Sitten und Bräuchen.


Dies zeigt, dass der Boden fürs Zusammenkommen fruchtbar war: Es waren Unterdrückung, Isolation und Entfremdung, die diese Notwendigkeit schufen. Was fehlte, war nur noch die Initiative. Die Gründung dieser Gemeinden auf deutscher und anschließend europäischer Ebene übernahmen Aktivisten der Kommunistischen Partei Griechenlands, die von 1925 bis 1974 aus der Illegalität heraus operierte. Die Flucht- und Migrationsgründe hingen – neben politischer Verfolgung – mit sozialen Problemen wie Armut und Hunger zusammen. Das wiederum sind Themen, die auf der Agenda der linken Bewegung, die nun eine führende Rolle spielen sollte, ganz oben stehen.


Ende 1963 wurde auf einer fünftägigen Tagung in der Nähe von München mit Zustimmung fast aller demokratischen Kräfte die Gründung eines repräsentativen Organs, das heißt eines Trägers, der sich für ihre Interessen einsetzen sollte, beschlossen. Initiiert wurde das Treffen von Aktivistinnen und Aktivisten der illegalen Kommunistischen Partei und der Vereinigung der Demokratischen Linken (Eniéa Dimokratikí Aristerá – EDA). Dies illustriert, dass die Aktiven etwas für alle Griechen auf die Beine stellen wollten, unabhängig von der jeweiligen politischen Orientierung und Zugehörigkeit.


Und so fing alles an: Unmittelbar im Anschluss an die Tagung wurden in einem Zeitraum von nur sechs Monaten in 25 deutschen Städten Griechische Gemeinde-Vereine gegründet. Die Vorstände bestanden in ihrer Mehrheit nicht aus Kommunisten. In diesem Rahmen wurde auch die Münchner Kulturgemeinde der griechischen Arbeiter gegründet (2).


Dem Vorwurf, dass die Linke Organisationen «erfand», die sie anschließend der Gesellschaft aufdrückte, muss man hier widersprechen. Das Gegenteil war der Fall, denn das Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Selbstorganisierung war ohnehin vorhanden, es lauerte mitten in dieser neuen Gesellschaft. Die Tatsache, dass es linke Kräfte waren, die die Initiative ergriffen, liegt in deren Selbstverständnis: Sie hatten schlicht den Mut, etwas gegen die Missstände zu unternehmen – und das nicht nur mit Worten, sondern mit Taten.


Für die Vereinsgründung war der soziale Aspekt von großer Bedeutung. Denn letztlich sind diese Vereine nichts anderes als die Fortsetzung der lokalen Versammlungen im Heimatland, wo kommunale Themen diskutiert und Entscheidungen getroffen werden.


Diese Schwerpunkte kamen auch im Anspruch – formuliert etwa in der Satzung der Münchner Kulturgemeinde der griechischen Arbeiter, aber auch anderer Vereine – zum Ausdruck. Die wichtigsten dort genannten Punkte waren:


1. Verbindung zum Heimatland durch kulturpolitische Aktionen;


2. Verbindung mit der deutschen Gesellschaft durch Sprachkurse und andere Veranstaltungen;


3. Verteidigung von Bürger- und Gewerkschaftsrechten in Kooperation mit deutschen und mit anderen ausländischen Initiativen;


4. Staatliche Bildungseinrichtungen für die Kinder der Arbeiter;


5. Verstärkung aller Anstrengungen für eine Rückkehr nach Hause, diesmal aber unter anderen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen, sprich: die Fortsetzung des Kampfs für die Beseitigung der Ursachen, die einst zur Migration geführt hatten.


Arm, aber engagiert

Was das Finanzielle betrifft – und hier liegt der Kern der Sache –, muss erwähnt werden, dass die sogenannten Gastarbeiter arm wie Kirchenmäuse waren. Dazu kommt, dass sie fast den gesamten Lohn an ihre Familie im Ursprungsland schickten; viele hatten in der Heimat ihre Kinder zurücklassen müssen, die nun bei den Großeltern aufwuchsen. Nichtsdestotrotz waren sie stets bereit, für entstehende Kosten, etwa für Veranstaltungen oder den Druck von Printmaterial, freiwillig aufzukommen.


Weder vom griechischen noch vom deutschen Staat kam irgendeine finanzielle Unterstützung. Letzteres hat sich in den vergangenen Jahren nach großem Einsatz geändert. Was die anfänglichen Schwierigkeiten anbelangt, lassen sich diese in nur zwei Wörtern zusammenfassen: Angst und Terror. Man darf hier nicht die schreckliche Wirkung des sogenannten

Ausländergesetzes, das von 1965 bis 2004 in Kraft war, auf die Psyche der Einwanderinnen und Einwanderer unterschätzen. Denn dieses Gesetz wurde benutzt, um ihnen zu drohen. Die Behörde, so hieß es, werde ihre Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängern, wenn sie sich nicht streng an das hielten, was man von ihnen verlange. Diese Haltung wurde, wie bereits gesagt, von den Dolmetschern vehement unterstützt. Und sie blieben nicht nur dabei, sondern terrorisierten die «Gastarbeiter» auch damit, dass es Konsequenzen für sie haben werde, wenn sie Veranstaltungen wie jene der Münchner Gemeinde besuchten. In ihren Augen trafen sich dort bloß gefährliche, kommunistische Antipatrioten.


Diese Einschüchterungsmechanismen spiegeln sich genial in den Liedern wider, die damals komponiert wurden. Vergessen wir nicht: Die Griechen sind eines der wenigen Völker, die aus jedem Leid ein Lied machen, das sofort in aller Munde ist. Charakteristisch dafür ist das Lied «Fabrika» (3) von der Schallplatte «Migrant» aus dem Jahre 1974:


Die Fabrik, die Fabrik hört nicht auf
Tag und Nacht ist sie in Betrieb
Und wie mein Kollege heißt,
Oder dieser verrückte Italiener nebenan
Wage ich nicht zu fragen
Noch traue ich mich,
etwas Luft zu holen

Ich arbeite an der Maschine
In der Schicht zwei bis zehn
Und schon vom ersten Moment
Haben sie mir den Kontrolleur geschickt
Um ein klares Wörtchen mit mir zu reden
Ins Ohr flüstert er mir:

«Hör zu, migrantisches Freundchen
Die Zeit ist Geld
Mit anderen Arbeitern redet man nicht
Mit der Zeit hält man Schritt
Denk nur an deinen hungrigen Sohn
Tut er dir nicht leid?»

So bleibe ich gebückt auf meinem Posten
Vergiss, dass ich ’ne Stimme hab’
Ich bin nur noch die Nummer acht
So kennt mich jeder hier
Mein richtiger Name,
mein eigenes Geheimnis.

Auch wenn das eigene Engagement, wie üblich, eher gering war, kann man doch von einer weitgehenden Akzeptanz bzw. Beteiligung der – überwiegend demokratisch eingestellten oder politisch neutralen – «Gastarbeiter» an den Aktionen der Gemeinde sprechen. Und dies sogar noch zu Zeiten der Militärdiktatur! In dieser Zeit wurde im Herzen Münchens unter anderem eine antifaschistische Demonstration organisiert, an der so viele Griechinnen und Griechen teilnahmen, dass die Polizei einen Hubschrauber einsetzen musste, um die versammelte Masse im Blick zu behalten. Die Mobilisierung fand noch in der Fabrik statt, wo Flugblätter verteilt wurden.


Gegen die Militärdiktatur in Griechenland

Mit der Militärdiktatur 1967 bis 1974 verschärfte sich die Feindseligkeit des griechischen Staats weiter. Darüber wird in keiner Schule unterrichtet. Damals gab es ein Drohmittel, das systematisch eingesetzt wurde: den Kommunismus. Gerade in Griechenland hatten Linke nach dem verheerenden Bürgerkrieg von 1946 bis 1949 keine Berufsperspektive, durften nicht studieren, wurden oftmals verfolgt und vom öffentlichen Leben ausgeschlossen.


In den nordgriechischen Provinzen, aus denen die meisten Migranten stammten, trieb der Antikommunismus besondere Blüten. Ende der 1950er Jahre geriet die griechische Tabakbranche in die Krise. Die Gründe dafür waren nicht nur die Automatisierung, sondern auch die Konkurrenz durch billigere Zigaretten aus Bulgarien und Jugoslawien sowie eine neue Marktdurchdringung seitens der Amerikaner, die auch politische Gründe hatte. Als die Sowjetunion Interesse zeigte, den griechischen Tabak aufzukaufen, griffen manche Zwischenhändler zu drastischen Methoden: Sie überredeten (und mitunter zwangen) die Bauern, ihre Ernte zu verbrennen, statt diese an den kommunistischen Erzfeind zu verkaufen. Die Menschen, die ausschließlich vom Tabakanbau lebten, waren damit am nächsten Tag arbeitslos. Sie wurden faktisch zur Auswanderung getrieben, was wiederum der Regierung in den Kram passte, weil auf diesem Wege die hohe Arbeitslosenquote in Griechenland gesenkt werden konnte.


In diesem Zusammenhang kommt noch eine alltägliche, grausame, aber wahre Taktik hinzu: Es wurden Akten über Personen angelegt und aufbewahrt. Das gab es nicht nur in Griechenland; in Deutschland wie in anderen europäischen Ländern kam es auch zu Kündigungsdrohungen seitens der Junta-nahen Vereine, der Arbeitgeber und der Griechischen Konsulate im Aufnahmeland.


Gegen den Rassismus in Deutschland

Die griechisch-orthodoxe Kirche war nahezu abwesend, ihre Rolle beschränkte sich in Deutschland anfangs im Wesentlichen darauf, Gelder für Hochzeiten und Taufen zu kassieren. Diese nahmen dann immer mehr zu, da die Auswanderer Halt suchten und in der Kirche ihre jahrtausendealte Tradition pflegen konnten. Dass die Kirche auch Bewundernswertes zugunsten der einfachen Menschen leistete – wie der Einsatz vieler heutiger Priester belegt, die auch in der antirassistischen und

antifaschistischen Szene Münchens bekannt sind –, ergab sich erst viel später.


Genauso abwesend wie die Kirche waren die deutschen freien und öffentlichen Träger. Einzige Ausnahme waren die Gewerkschaften, die sofort mit den «Gastarbeitern» in Kontakt traten und sie über die ihnen zustehenden Rechte und über die Existenz der Betriebsräte informierten. In Reaktion darauf setzten die Unternehmen dann arbeitgebertreue Dolmetscher ein, die dem gewerkschaftlichen Aktivismus entgegenwirken sollten.


Es gab aber auch Dolmetscher, die den Einwanderern helfen wollten. Einer davon war Nicolas Cavouras, der mit Rat und Tat den einfachen Menschen auch in seiner Freizeit in München zur Seite stand. Seine Tochter Maria, die heute das «Gastarbeiterbüro » als beeidigte Übersetzerin weiterführt, berichtet über die Frühzeit: «Es waren Menschen, die keine oder begrenzte

schulische Bildung genossen hatten und sonst einfach nicht viele Hilfsangebote kannten bzw. bekamen oder mangels Deutschkenntnissen nicht wahrnehmen konnten. Viele konnten nicht mal ihren Arbeitsvertrag lesen, obwohl dieser essenziell war, weil auch die Bleibe für sie und die nachkommende Familie damit verknüpft war. Sie mussten sich auf Vermittler verlassen, die es nicht immer gut meinten. Eine Auswahl anderer Anlaufpunkte, wie es sie heute gibt, gab es damals nicht. Da hat Herr Cavouras als Kaufmann die Gelegenheit beim Schopfe gepackt. Im Gegensatz zu anderen hatte er den Vorteil einer recht guten Bildung, um sich gute Deutschkenntnisse anzueignen. Aber er wollte auch den Leuten helfen, die wie er aus bescheidenen Familienverhältnissen stammten und sich etwas aufbauen wollten. Das lag ihm am Ende mehr am Herzen als der Import, den er anfänglich betrieben hatte.»


In diesem Kontext darf das Wirken des Übersetzers Giorgos Giannidis (Jahrgang 1925) nicht unerwähnt bleiben, der in der Münchner Griechischen Gemeinde hoch angesehen war. Schon als Gymnasiast hatte Giannidis die Schule verlassen und sich 1943 als Partisan in den Bergen von Kozani der Widerstands bewegung gegen die Nazis angeschlossen. Nach Kriegsende teilte er das Schicksal vieler linker Widerstandskämpfer und verbrachte Jahre im Gefängnis und im Exil. Später lebte er in Wien und in der bayerischen Hauptstadt. Seine Biografie und sein Engagement inspirierten nachfolgende Generationen der Münchner Griechen, denen er – als Mitbegründer der Griechischen Kulturgemeinde – stets mit Rat und Tat zur Seite stand.


Gekommen, um zu bleiben

Die Ziele der griechischen Aktivistinnen und Aktivisten waren direkt mit der oben geschilderten Situation verknüpft. Erstens wollten und mussten sie unbedingt den Inhalt des gegen die Interessen der Migranten gerichteten Anwerbeabkommens ändern. Denn es war genau dieser Vertrag, der die ungleiche und ungerechte Behandlung – mit Blick auf den Lohn und darüber hinaus – als legitim erscheinen ließ. Zweitens lag der Schwerpunkt auf der rechtlichen Regelung der menschlichen Lebensbedingungen, die völlig ungeschützt waren, auf der Schaffung sozialer Stabilität benachteiligter Bevölkerungsgruppen und der Infrastruktur für die Bildung des Nachwuchses. Drittens wollten sie unbedingt die «Ausländerregelungen» außer Kraft setzen. Diese galten seit Hitler-Zeiten und verboten jegliche gewerkschaftliche und politische Partizipation von Ausländerinnen und Ausländern; das war für uns nicht hinnehmbar.


Ziel war es, die Menschen zu mobilisieren und zu ermutigen, sich gewerkschaftlich und politisch zu organisieren. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Ausschüsse gebildet – in München etwa entstand eine ausgezeichnete Zusammenarbeit mit dem DGB und der IG Metall. Auch brachten sie ihr eigenes Magazin Ellinikoi Antilaloi, (Ελληνικοί Αντίλαλοι, «Griechisches Echo») heraus, das eine klare politische Botschaft enthielt und kulturpolitische Themen behandelte. Erinnert sei auch an das

«kleine Parlament», wie sie es nannten, eine Zusammenkunft der Aktiven, die seit 1966 jeden Samstag in Restaurants tagte, Entscheidungen traf, bedeutende Referenten einlud und regelmäßig Diskussionen auslöste, in denen man dem eigenen, mediterranen Temperament freien Lauf lassen konnte.


Die erste Generation bewies großen Mut: Die «Gastarbeiter» kamen ohne Bildung, ohne Sprachkenntnisse und trotz der Gräueltaten während der deutschen Besatzung Griechenlands in die Bundesrepublik. Ihr vermeintlich «vorübergehender» Aufenthalt erwies sich bald als dauerhaft. Durch ihre Selbstorganisation gewann die erste Generation Selbstvertrauen und schließlich auch den Respekt der Deutschen. Auf diese Weise bereitete sie den nächsten Generationen den Weg, auch für einen bildungsbezogenen Aufstieg. Dank des Engagements der «Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter» sind wir, die Jüngeren, mittlerweile befreit vom Zwang einer imaginären Rückkehr und von einem verbindlichen Zugehörigkeitsgefühl. Wir wissen, dass wir als auf deutschem Boden lebende Griechinnen und Griechen eine besondere Gruppe in der Gesellschaft bilden – mit deutschen und griechischen Wurzeln.

Und wir wissen auch: Wir sind gekommen, um zu bleiben.


NOTIZEN:

(1) Teile dieses Beitrags beruhen auf Interviews von Johanna Panagiotou und Myrto Pelopida mit dem ehemaligen «Gastarbeiter» und Sozialberater Dimitris Koutsomitopoulos.


(2) Ekpolitistiki Koinotita Ellinon Ergaton Monachou (Εκπολιτιστική Κοινότητα Ελλήνων Εργατών Μονάχου – EKEEM). 1978/79 wurde sie in Elliniki Koinotita Monachou (Ελληνική Κοινότητα Μονάχου – EKM), das heißt «Griechische Gemeinde München», umbenannt. Nach Jahrzehnten mit vielen bedeutenden Aktivitäten wurde sie vor rund zehn Jahren wegen Schulden und Defiziten in der Buchhaltung aufgelöst; vgl. Geschichte der Griechen in München, in: Magazin Drachme, 24 (2015), S. 18, und 25 (2015), S. 16.


(3) Lyrik: Giorgos Skourtis, Musik: Giannis Makropoulos, Gesang: Lakis Chalkias, deutsche Übersetzung: Victoria Mali.


Zitierweise:

Panagiotou, Johanna (2020). Griechische Anfänge. In: Scharenberg, Albert. Der lange Marsch der Migration: Die Anfänge migrantischer Selbstorganisation im Nachkriegsdeutschland. Berlin: Rosa-Luxemburg-Stiftung, S. 89-102.


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